Stand: Februar 2023

Androgenisierung, PCO-Syndrom und androgenproduzierende Tumoren

Autor: Prof. Dr. med. Martin H. Birkhäuser Leiter der Abteilung für gynäkologische Endokrinlogie und Reproduktionsmedizin an der Universitäts-Frauenklinik Bern vom 01.01.1989 bis zum 31.12.2008
Co-Autor: Dr. med. Céline Montavon Sartorius, Prof. Dr. med. Christian De Geyter
  • PD Dr méd. Isabelle Streuli, HUG
  • Prof. Dr. med. Brigitte Leeners, USZ
  • Dr Nicolas Vulliemoz, CHUV
  • Prof. Dr. Michael von Wolff, Inselspital

Verschiedene Haartypen

Vellus-Haare sind flaumig und unpigmentiert und typisch für die Jahre vor der Pubertät.

  • Das terminale Haar ist dick und pigmentiert und entwickelt sich ab der Pubertät an verschiedenen Stellen des Körpers. Bei den Terminalhaaren unterscheiden wir 2 Typen:
  • Haare, deren Wachstum genetisch bestimmt ist und sich durch therapeutische Massnahmen kaum beeinflussen lässt (Unterarme, Unterschenkel).
  • Haare, welche sich unter Androgeneinfluss entwickeln, und die das typische Verteilungsmuster der sekundären Geschlechtsbehaarung prägen. Das Behaarungsmuster ist stark rassenabhängig: Was bei der Asiatin bereits hirsut ist, liegt bei der Südeuropäerin noch im Normalbereich.

Ist einmal unter Androgeneinfluss die Umwandlung von Vellusbehaarung in Terminalbehaarung erfolgt, so besteht dieser Behaarungstyp auch nach einem Androgenentzug noch längere Zeit fort. Diese Regel gilt leider gerade auch für Frauen, bei denen eine Virilisierung diagnostiziert und erfolgreich behandelt wurde.

Lanugohaare und Hypertrichose

Die Hypertrichose ist Androgen-unabhängig. Bei der Hypertrichose kommt es zu einer generalisierten Zunahme des fetalen Lanugo-Haartypes. Eine Hypertrichose finden wir vor allem als Nebenwirkung bei der Einnahme bestimmter Medikamente und als paraneoplastisches Phänomen. Die Hypertrichose wird unterschiedlich definiert: Einige verstehen unter Hypertrichose eine vermehrte Körperbehaarung gemäss weiblichem Verteilungstyp (also beispielsweise keine Behaarung von den Pubes zum Bauchnabel), unabhängig von der Intensität. Andere bezeichnen einen Hirsutismus-Score nach Ferriman-Gallwey von < 8 (siehe unten “Klinisches Bild des Hirsutismus”) als Hypertrichose und zwar unabhängig vom Verteilungsmuster. In Europa wird im Allgemeinen die erste Definition verwendet.

Androgenisierung bei der Frau

Zur Androgenisierung bei der Frau gehören folgende klinischen Bilder:

  • Akne
  • Hirsutismus
  • Alopezie (leichte Formen, d. h. androgenetische Alopezie)

Typisch ist eine gewisse physiologische Androgenisierung nach der Menopause (klassisch: Damenbart, Geheimratsecken), die durch das relative Überwiegen der Androgene in der Postmenopause zu Stande kommt. Hirsutismus setzt die Umwandlung von Vellushaar in Terminalhaar voraus und ist meist Folge einer erhöhten Androgensekretion. Hirsutismus kann aber auch familiär-idiopathisch bei normalen Androgenwerten auftreten. Beim Hirsutismus finden sich keine Zeichen einer Maskulinisierung. Cave: Differentialdiagnostisch an die Einnahme von androgenisierenden Medikamenten, Doping mit Androgenen und anderen anabol wirksamen Steroiden denken! Von Virilisierung spricht man, wenn sich zusätzlich zu einer stark ausgeprägten Behaarungzunahme typische Maskulinierungszeichen finden (Stimmabfall, Klitorishypertrophie, betonte Alopezie, verstärkte Muskelbildung, Libidosteigerung, psychische Veränderungen usw.). Findet sich bei der klinischen Untersuchung eine Virilisierung, so müssen wir immer aktiv einen Androgen-bildenden Tumor ausschliessen. Eine Virilisierung kann bereits vor der Pubertät auftreten. Dank gutem Screening beim Neugeborenen ist die kongenitale Virilisierung beim adrenogenitalen Syndrom selten geworden. Anamnestisch entscheidend ist bei der Virilisierung die Geschwindigkeit des Erscheinens der Merkmale der Hyperandrogenaemie (zunächst Akne, Hirsutismus, Alopezie): für Androgen-bildende Tumoren typisch ist ein äusserst rasches Auftreten des Hirsutismus. Die klassischen Symptome der Virilisierung folgen in der Regel meist etwas später, allerdings können auch eine Stimmveränderung oder eine Libidosteigerung das erste auf eine Virilisierung hinweisende Symptom sein. Einmal aufgetretene Symptome einer Virilisierung bilden sich nur bedingt zurück (Behaarungsmuster, tiefe Stimme, Klitorishypertrophie). Das Auftreten einer Virilisierung während der Schwangerschaft spricht für ein Luteom, das kein echter Tumor ist, sondern eine abnorme Reaktion des Ovarial-Stromas auf normale HCG-Spiegel.

Klinisches Bild des Hirsutismus

Eine kosmetisch störende Behaarung bei der Frau hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Genetische Veranlagung: In Mitteleuropa weisen rund ein Drittel aller Frauen diskrete oder stärkere hirsute Behaarungsmerkmale auf, auch wenn ihre Androgenproduktion restlos normal ist. Demgegenüber kommt es bei Asiatinnen auch in Gegenwart eines Androgen-produzierenden Tumors nur selten zu einem Hirsutismus. Die klinische Ausprägung hängt von der Anzahl von Haarfollikeln pro Einheit Hautoberfläche ab.
  • Haardicke und Ausmass der Pigmentierung: Deshalb kann bei dunklen Haaren allein durch eine Bleichung oft ein kosmetisch befriedigendes Resultat erzielt werden.
  • Weitere Faktoren: Für das Ausmass des Hirsutismus mitbestimmend ist auch das Ausmass der Umwandlung von Vellushaaren in Terminalhaare.

Abklärung der Androgenisierung

Anamnese

In der allg. Anamnese entscheidend ist das genaue Erfragen des Familientypus (Hirsutismus/Akne bei Geschwistern, Eltern, Tanten, Onkeln), wobei die Seite des Vaters nicht vernachlässigt werden darf. Auch muss genau erfasst werden, wann der Hirsutismus (mit der Pubertät? später?) aufgetreten ist, und wie schnell er sich entwickelt hat (siehe oben). Gynäkologische Anamnese: Hier ist besonders nach dem Alter bei der Menarche und dem anschliessenden Zyklusmuster zu fragen, da eine Hyperandrogenämie häufig bereits früh zu einer chronischen Anovulation oder einer sekundären Amenorrhoe führt. Selten kann eine Hyperandrogenämie die Ursache einer primären Amenorrhoe sein.

Klinik

Bei der klinischen Untersuchung muss der Hirsutismus mittels eines Scores (zum Beispiel Ferriman and Gallwey; Abbildung 1) festgehalten werden.

Abbildung 1: Hirsutismus-Score nach Ferriman-Gallwey (Hatch et al., Am J Obstet Gynecol 140:815–830, 1981).
Abbildung 1: Hirsutismus-Score nach Ferriman-Gallwey (Hatch et al., Am J Obstet Gynecol 140:815–830, 1981).

Beurteilung: Die Punkte für jedes einzelne Merkmal werden notiert und zusammengezählt. Dies ergibt den sogenannten Hirsutismus-Score:

  • Score 8–15: Leichter Hirsutismus
  • Score 15–25: Mittelschwerer Hirsutismus
  • Score > 25: Schwerer Hirsutismus

Allfällig vorhandene Virilisierungszeichen müssen mit einer allgemein-internistischen und einer gynäkologischen Untersuchung ausgeschlossen werden. Zu beachten: Eine identischer Hirsutismusscore hat bei verschiedenen ethnischen Gruppen nicht die gleiche Bedeutung: bei einer Frau aus dem Mittelmeerraum kann eine Hirsutismus-Score von 15 noch innerhalb der normalen ethnischen Bandbreite liegen, bei eine Asiatin ist er bereits pathologisch.

Hormonbestimmungen

Bei jeder Hormonbestimmung zu beachten: Aus dem zyklischen Sekretionsmuster der hypophysären und der ovariellen Hormone folgt, dass für jede Hormonbestimmung der Zyklustag standardisiert sein muss: die Normwerte der gängigen Labortests sind auf die frühe Follikelphase ausgelegt. Dies gilt auch für die Bestimmung des freien oder des totale Serum-Testosterons als Screening-Test bei Androgenisierung. Wenn immer möglich, sollte auch zur Bestimmung der (totalen) Testosteronkonzentration und nicht nur derjenigen der von der Tagerhythmik noch stärker beeinflussten Nebennierenhormone (Cortisone) zusätzlich auch die Tageszeit berücksichtigt werden (Blutentnahmen 07.30-09.30). Es empfiehlt sich daher, Hormonbestimmungen im Rahmen einer Zyklusabklärung nur in der frühen Follikelphase (Tag 1 bis 5) durchzuführen. Bestimmte Hormone (z. B. Prolaktin) werden von Nahrungsaufnahme und Stress beeinflusst.

Grundlagen
Herkunft der Androgene bei der prämenopausalen Frau

Abbildung 2 bietet eine Übersicht der Herkunft der Androgene bei der prämenopausalen Frau.

Abbildung 2: Herkunft der Androgene bei der prämenopausalen Frau.
Abbildung 2: Herkunft der Androgene bei der prämenopausalen Frau.

Nota bene: Ovar nach der Menopause

  • bleibt endokrin aktiv
  • produziert kaum noch Östrogen
  • produziert stattdessen noch 20 % der täglichen Testosteron- und Androstendion-Menge
  • beidseitige Ovariektomie reduziert Testosteron-Produktion um ca. 50 %
Wann sollen die Blutentnahmen durchgeführt werden?

Aus dem zyklischen Sekretionsmuster der hypophysären und der ovariellen Hormone folgt, dass für jede Hormonbestimmung der Zyklustag standardisiert sein muss: die Normwerte der gängigen Labortests sind auf die frühe Follikelphase ausgelegt. Dies gilt auch für die Bestimmung des freien oder des totale Serum-Testosterons als Screening-Test bei Androgenisierung. Wenn immer möglich, sollte auch zur Bestimmung der totalen Testosteronkonzentration auch immer die Tageszeit berücksichtigt werden (Blutentnahmen 07.30-09.30). Es empfiehlt sich daher, Hormonbestimmungen im Rahmen einer Zyklusabklärung nur in der frühen Follikelphase (Tag 1 bis 5) durchzuführen. Bestimmte Hormone (z. B. Prolaktin) werden von Nahrungsaufnahme und Stress beeinflusst.

Methodische Aspekte bei der Testosteronbestimmung

Es werden folgende Messungen unterschieden:

  • Totales Testosteron: Das totale Testosteron wird durch Radioimmun- oder nicht radioaktive Immunoasseys gemessen. Das totale Testosteron umfasst das freie Testosteron (bei gesunden Frauen: 1 %), das an Albumin-gebundene Testosteron (19 %), und das SHBG-stärker gebundene Testosteron (80 %).
  • Gemessenes Freies Testosteron: Das freie Testosteron wird durch eine Equilibrium-Dialyse und durch Ultrazentrifugation gewonnen, eine aufwendige und teure Methode, welche äuserst strikte methodische Bedingungen (zum Beispiel Temperaturkontrolle) erfordert. Deswegen wird das freie Testosteron meist durch einen direkten Immunoassay mit kommerziellen Kits gemessen, deren Präzision besonders bei der Frau sehr viel geringer ist.
  • Kommerzielle Immunoassays zur Bestimmung des freien Testosterons: Leider sind die kommerziellen Immunoassays zur Bestimmung des freien Testosterons nicht immer genau und variieren stark. Zudem wird das Resultat durch die Schwankungen des SHBG-Spiegels beeinflusst. Auch der berechnete freie Testosteron-Index, der an sich gut mit dem nach der Dialysen-Methode als Gold-Standard bestimmten bio-verfügbaren Testosteron korreliert, hängt von der Konzentration von SHBG im Serum ab. Insbesondere führen hohe SHBG-Konzentration bei gleichzeitig tiefen Testosteron-Spiegeln durch die Verfügbarkeit zahlreicher unbesetzter Bindungsstellen aus methodischen Gründen bei den gängigen kommerziellen Assays zu falsch-hohen Messresultaten für das freie Testosteron. Es wurde versucht, dieser Fehlerquelle durch die Bestimmung des Testosterons im Speichel auszuweichen. Leider wurden die Bestimmungsmethoden im Speichel nie korrekt validiert.
  • Bio-verfügbares Testosteron: Hier erfolgt eine Präzipitation des SHBGS durch Aminiumsulfat, und danach die Bestimmung mittels eines kommerziellen Radioimmun-Assays. Auch diese Methode ist zeitaufwendig und teuer.
  • Freier Androgenindex (freier Testosteronindex): Dieser Index wird mit folgender Formel berechnet: 100 x (T/SHBGx100).
Indikationen zur Androgenbestimmung

Indikationen für die Bestimmung der Testosteron-Konzentration:

  • Bestimmung bei hyperandrogenämischen Stigmata, wie Hirsutismus und Akne: in dieser klinischen Situation ist die Bestimmung der totalen Testosteronkonzentration (gebundenes und freies Testosteron) im Serum indiziert. Diese sollte jedoch mit einer Bestimmung der SHBG-Konzentration kombiniert werden, da eine erniedrigte SHBG-Konzentration therapeutische Konsequenzen haben kann: sie kann durch die exogene Gabe von Östrogenen erhöht werden, was signifikant zur Linderung der hyperandrogenämischen Stigmata beitragen kann.
  • Bei einer Virilisierung (Klitorishypertrophie, androgenetische Alopecie, Stimmbruch) ist eine Bestimmung der Testosteronkonzentration indiziert, da eine stark erhöhte Testosteronkonzentration auf einen androgenproduzierenden Tumor im Ovar oder in der Nebennierenrinde hindeuten kann.
  • SHBG wird nicht routinemässig bestimmt, kann aber vom Spezialisten bei bestimmten Fragestellungen zur Diagnostik beigezogen werden. Bei der normalen Frau sind 80% des Testosterons an SHBG gebunden, bei der hirsuten Frau 78 %. Der klinische Unterschied zwischen oraler Behaarung und Hirsutismus spielt sich somit in einer Differenz von 1 bis 2 % des frei verfügbaren, biologisch aktiven Testosterons ab (Abbildung 3). Die SHBG-Konzentration ist bei Insulinresistenz erniedrigt. Es wurde sogar vorgeschlagen, die erniedrigte SHBG-Konzentration als Screeningparameter für die Insulinresistenz zu verwenden.
Abbildung 3: Bindungsverhältnis Testosteron.
Abbildung 3: Bindungsverhältnis Testosteron.
Indikationen für die Bestimmung von Androstendion, DHEA und DHEAS

Bei Verdacht auf einen androgenisierenden Tumor der Nebennierenrinde wird DHEAS als Marker eingesetzt. Für eine Bestimmung der Androstendion- und DHEA-Konzentration gibt es keine Indikation.

Indikationen für die Bestimmung der Konzentration 17-alpha-Hydroxy-Progesteron

17-alpha-Hydroxyprogesteron: Bei einer primären oder sekundären Amenorrhöe (siehe Skript E02) kann bei Androgenisierung zur Differentialdiagnostik eines adrenogenitalen Syndroms (AGS) eine einmalige Bestimmung der 17-Hydroxy-Progesteron-Konzentration durchgeführt werden. Da 17-alpha-OH-Progesteron wegen seiner auch adrenalen Herkunft ebenfalls einem zirkadianen Sekretionsmuster unterliegen, sollte die Bestimmung morgens erfolgen. Eine erhöhte 17-Hydroxyprogesteronkonzentration kann auf einen 21-Hydroxylasemangel hindeuten und erfordert eine weitere Abklärung. Seltenere Formen des AGS als Folge von andern Enzymdefekten werden durch diesen Suchtest nicht erfasst.

Praktisches Vorgehen in der Klinik
Leichter Hirsutismus

Bei Frauen mit leichtem, isoliertem, nicht progredientem Hirsutismus ohne Kinderwunsch lohnt sich eine Hormonanalyse mit Bestimmung der Serumandrogene in der Regel nicht, da deren Resultat in den meisten Fällen keine Konsequenzen auf die durchgeführte Therapie und deren Resultat hat.

Mittelstarker bis starker Hirsutismus

Eine Bestimmung der Serum-Androgene wird hingegen empfohlen bei:

  • Mässigem oder schwerem Hirsutismus
  • Hirsutismus jeden Schweregrades mit raschem Beginn oder rascher Progredienz
  • Hirsutismus bei folgenden zusätzlichem Symptomen: Zyklusunregelmässigkeit oder Infertilität, zentraler Adipositas, Acanthosis nigricans, Klitoromegalie
Spezialfälle
  • Zum Tumorausschluss genügt die Bestimmung des total oder des freien Testosterones. DHEAS (Dihydroepiandrosteron-Sulfat) ist nur dann sinnvoll, wenn ein Verdacht auf eine Nebennieren-Tumor besteht, oder wenn das freie Testosterone bei klinischen Verdacht auf einen Androgen-produzierenden Tumor normal ausgefallen ist (siehe unten “Androgenproduzierende Tumoren”).
  • Bei labortechnischer Bestätigung eines Tumorverdacht durch hohe Serum-Androgenwerte ist dringend die Abklärung durch einen Spezialisten mit weiteren Hormonbestimmungen und bildgebenden Verfahren einzuleiten.
  • Geht es darum, die häufigste Form (21-Hydroxylase-Defekt) eines Late-onset-adreno-genitalen Syndroms zu erfassen, muss im Serum das 17-alpha-Hydroxyprogesteron bestimmt werden.
  • Bei androgenisierten Frauen mit Kinderwunsch und Verdacht auf polycystisches Ovar-Syndrom (PCO-S) ist zusätzlich eine Vaginal-Sonographie zur Beurteilung der Ovarien und bei Adipositas oder pos. FA für Diabetes Typ 2 eine Abklärung auf eine metabolisches Syndrome vorzunehmen.
  • Ausschluss einer Schilddrüsendysfunktion (die eine Hyperandrogenaemie induzieren kann): als erste Massnahme genügt eine Serum-TSH-Bestimmung.
  • Bei klinischen Verdacht auf ein Cushingsyndrom oder eine Akromegalie sind die entsprechenden Abklärungen durch den Spezialisten zu veranlassen.

Abbildung 4 zeigt eine Übersicht des praktischen Vorgehens in der Klinik.

Abbildung 4: Abklärung des Hirsutismus (Grundschema).
Abbildung 4: Abklärung des Hirsutismus (Grundschema).

Differentialdiagnostisch müssen bei der Androgenisierung alle bekannten Ursachen für ein Polycystisches Ovar-Syndrom (PCO-S) in Erwägung gezogen werden, sowie das late-onset adrenogenitale Syndrom (late-onset AGS) und das Cushing-Syndrom (siehe unten). Bei beiden können verschiedene klinische Stadien des Hirsutismus bis hin zur Virilisierung beobachtet werden. Die typischen klinischen Symptome des Cushing-Syndroms: siehe Lehrveranstaltungen der Inneren Medizin. Hyperandrogenämie und metabolisches Syndrom (siehe auch unten): Eine Hyperandrogenämie ist im Rahmen eines metabolischen Syndromes oft mit einer Insulinresistenz assoziiert. Hyperinsulinämie und Übergewicht müssen bei hyperandrogenaemischen, anovulatorischen Frauen als Risikofaktor für die spätere Entwicklung eines Diabetes mellitus und von kardiovaskulären Erkrankungen eingestuft werden. Daher hat eine Behandlung auch dann zu erfolgen, wenn kein Kinderwunsch vorliegt.

Behandlung bei Androgenisierung

Gewichtsreduktion: Bei adipösen hyperandrogenaemischen Frauen führt oft allein eine Gewichtsabnahme zu einem Abfall der Androgensekretion und der Normalisierung einer allfälligen Hyperinsulinämie, sodass es wiederum zu regelmässigen ovulatorischen Zyklen kommen kann. Medikamentöse Behandlung bei Fehlen eines Kinderwunsches: Besteht kein Kinderwunsch, so werden in der Regel Anti-Androgene eingesetzt:

Akne

  • Lokaltherapie: Sache des Dermatologen
  • Systemisch nicht-hormonal: Vitamin-A-Säure Derivate (z. B. Roaccutan® (13-cis-Retinsäure)). Achtung: Die13-cis-Retinsäure ist teratogen!
  • Hormonelle Therapie: Meist genügt die Gabe einer Pille mit einem Anti-Androgen (z. B. Cyproteron-Acetat) als Gestagen. Die Wirkung erfolgt Wirkung sowohl durch den Anstieg des Sex-Hormon-Bindenden-Globulins (Absinken des freies Testosteron) als auch durch die kompetitive Hemmung des Antiandrogens.

Hirsutismus

Einsatz von Anti-Androgenen
  • Cyproteron-Acetat (CPA), Chlormadinon-Acetat: beides sind Gestagene mit antiandrogener Potenz aus der Familie der 17-OH-Progesterone. Basistherapie: in der Regel Gabe einer Pille, die ein Antiandrogen enthält (z.B. Diane 35 (oder Genericum)) mit 35 microg Aethinyloestradiol + 2 mg CPA pro Tablette. Die Antiandrogen-Komponente kann bei gegebener Indikation durch die zusätzliche Gabe von Cyproteron-Acetat erhöht werden (Sache des gynäkologischen Endokrinologen).

Die Strukturformeln von Cyproteron-Acetat, Spironolacton und Testosteron sind in Abbildung 5 dargestellt.

Abbildung 5: Strukturformeln von Cyproteron-Acetat (A), Spironolacton (B), Testosteron (C).
Abbildung 5: Strukturformeln von Cyproteron-Acetat (A), Spironolacton (B), Testosteron (C).
  • Drospirenon: Drospirenon gehört chemisch zur gleichen Familie wie Spironolactone (siehe unten), besitzt aber zusätzlich zur antiandrogenen und leichten antimineralocorticoiden eine starke gestagene Potenz. Seine antiandrogene Partialwirkung ist deutlich schwächer als diejenige von Cyproteron-Acetat. Wird bei der hormonalen Kontrazeption und bei der postmenopausalen Hormonersatztherapie als Gestagen eingesetzt.
  • Glucocorticoide: keine Routinebehandlung der Androgenisierung! Indikation für Glucocorticoide ist gegeben beim adreno-genitalem Syndrom (AGS).
  • Spironolactone: Sein Einsatz als Anti-Androgen ist in der Schweiz ein „Off-Label-Use“! Spironolactone hat eine anti-mineralocorticoide und eine anti-androgene Wirkungskomponente. Wegen letzterer kann Spironolactone auch zur Behandlung von Androgenisierungserscheinungen eingesetzt werden (Dosierung: 50 bis 200 mg/d). Achtung: Wegen der antimineralocorticoiden Wirkung Elekrolytkontrolle notwendig!
  • Behandlung bei Androgenisierung mit Kinderwunsch: siehe Skript E05
Einsatz von kosmetischen Behandlungen wie Laser-Therapie

Sache des Dermatologen

Virilisierung

Gehört in die Hände des gynäkologischen Endokrinologen!

Was ist das PCO-Syndrom?

Der Begriff Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCO-S) beschreibt eine uneinheitliche Gruppe von Symptomen und Veränderungen von Hormonspiegeln. Der Name kommt daher, dass nach der klassischen Definition des Syndroms die Ovarien zahlreiche randständige Zystchen bei gleichzeitig verdicktem Stroma besitzen. Diese Mikrozysten sind immer benigne. Die Erstbeschreibung des PCO-S geht auf Stein und Leventhal zurück, deshalb findet sich in der älteren Literatur auch der Name Stein-Leventhal-Syndrom. Andere (ältere und angelsächsiche) Bezeichnungen für das PCO-S sind chronische hyperandrogenämische Anovulation (= CHA; nach SSC Yen) und Polycystic Ovarian Disease (PCO-D). Die Inzidenz des PCO-Syndroms schwankt je nach Statistik und untersuchten Leitsymptom (Dermatologische Kliniken finden eine andere Inzidenz als Fertilitätszentren). Die Angaben liegen zwischen 7 % und 30 %.

Definition

Aktuell (2003, Rotterdam Consensus) wird das Syndrom folgendermassen definiert:

  1. Rhythmusstörungen des Menstruationszyklus
  2. Hyperandrogenämie und/oder Hyperandrogenismus
  3. Zeichen von polyzystischen Ovarien im Ultraschallbild

Im Rahmen der Rotterdam-Kriterien müssen zwei von drei Kriterien erfüllt sein. Das PCO-S ist somit ein Syndrom der ovariellen Dysfunktion mit den kardinalen Merkmalen Hyperandrogenismus und polycystische Ovarien (PCO). Andere Ursachen für Hyperandrogenämie müssen aufgrund einer vorbestehenden Grunderkrankung (Kongenitale adrenale Hyperplasie (=AGS), androgen-sezernierende Tumoren, Cushing-Syndrom etc.) ausgeschlossen werden. Die Letztgenannten sind allerdings im Vergleich zum eigentlichen PCO-S seltene Ursachen für Hyperandrogenämie.

Somit bleibt das PCO-S eine Ausschlussdiagnose. Seine Hauptcharakteristika sind die Hyperandrogenaemie und polycystische Ovarien. Seine Manifestation geht oft mit sogenannten Ko-variabelen einher:

  • Adipositas (taillenbetont) - nicht obligatorisch
  • Insulinresistenz bei Adipositas
  • Hohes Serum-LH bei Normalgewicht
  • Depressive Stimmungslage

In der Praxis gelten die folgenden 4 diagnostischen Kriterien als massgebend

  • Oligo- und/oder Anovulation
  • Klinische und/oder biochemische Zeichen der Hyperandrogenaemie
  • Polycystische Ovarien im Ultraschallbild
  • Ausschluss zugrunde liegender Ätiologien (siehe unten)

Viele Frauen mit PCO-S leiden aufgrund der seltenen Ovulationen unter Infertilität. Das PCO-S geht im Falle einer Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für Gestationsdiabetes einher, im späteren Leben mit Diabetes Typ 2 und mit kardiovaskulären Erkrankungen.

Pathogenese

Sehr wahrscheinlich sind mehrere Gene an der Entstehung dieses heterogenen Syndroms beteiligt. Familiäre Formen des PCO-S sind bekannt. Genetische Studien zeigen, dass bei Verwandten ersten Grades einer Patientin mit PCO-S eine erhöhte Inzidenz für diese Erkrankung vorliegt. Obwohl zahlreiche Gene als Ursache vorgeschlagen worden sind, konnte der Erbgang bisher nicht genau definiert werden. Es werden sowohl autosomale als X-gebundene Vererbungsmuster postuliert. Doch liegen nicht genug Daten vor, um die eine oder die andere Hypothese zu sichern.

Zu den zahlreichen pathogenetischen Erklärungen des klassischen PCO-S gehören:

  • ein primärer vermutlich enzymatischer ovarieller Defekt, der entweder allein die ovarielle oder gleichzeitig auch die adrenale Steroidogenese beeinträchtigt
  • eine primär hypothalamo-hypophysäre Anomalie, die zu einer Dysfunktion der Freisetzung des Gonadotropin-Releasing Hormones (GnRH) und sekundär der LH-Sekretion führt. Dadurch kommt es zur ovariellen Hyperandrogenaemie
  • eine pränatal erhöhte Exposition zu Androgene, welche u. a. auch die Frühprägung der hypothalamo-hypophysären Achse sowie den Insulinstoffwechsel verändern.
  • eine abnorme Adrenarche, bei der die erhöhte Androgen-Sekretion der Nebennieren-Rinde sekundär zur ovariellen Dysfunktion führt
  • Durch eine Insulinresistenz charakterisierte metabolische Störung, die zusammen mit der kompensatorischen Hyperinsulinamie zu einer Dysfunktion von Hypothalamus, Hypophyse, Follikelreifung und allenfalls auch Nebennierenrinde führt. Die Hyperinsulinämie führt wiederum zu einer vermehrten Androgenproduktion durch die Theka-Zellen im Ovar und zur Hemmung der Synthese des Sexhormon-bildenden Globulins und des IGF-Bindungsprotein I. Daraus resultiert ein erhöhtes freies Testosteron im Serum und via erhöhte IGF-I-Spiegel eine zusätzlich gesteigerte ovarielle Androgensynthese.

Postulierter Circulus vitiosus, dessen klinischer Endpunkt unabhängig vom auslösenden Mechanismus ein PCO-Syndrom ist (Abbildung 6):

Abbildung 6: Postulierte Pathogenese PCO-S.
Abbildung 6: Postulierte Pathogenese PCO-S.

Diagnose des PCO-S

Klinik

Die ersten Zeichen sind in der Regel unregelmässige Perioden, kombiniert mit einer zunehmenden Androgenisierung (Hirsutismus, Akne, Alopezie) sowie meist - aber nicht obligat! - einer Gewichtszunahme. Auch magere Frauen können ein PCO-S haben!

Häufigkeit der einzelnen Symptome beim PCO-S

Je nach Spezialisierung eines Zentrums (Endokrinologie, Kinderwunsch, Dermatologie) schwankt die Häufigkeit der einzelnen klinischen Symptome stark:

  • Oligomenorrhoe: 29 bis 52 %
  • Amenorrhoe: 19 bis 51 %
  • Hirsutismus: 64 bis 69 %
  • Adipositas: 35 bis 41 %
  • Akne: 27 bis 35 %
  • Infertilität 20 bis 74 %

Diese einzelnen Symptome können - müssen aber nicht - zusammen auftreten: wir finden immer wieder oligo-symptomatische Frauen. So kann sich ein anscheinend regelmässiger Zyklus finden, bei dem aber die Abklärung eine chronische Anovulation nachweist. Die Ausprägung der Androgenisierung wird stark von der genetischen Veranlagung mitbestimmt (Asiatinnen!). Dies gilt auch für die in Europa seltene Acanthosis nigricans, die v. a. bei Schwarzen immer wieder im Rahmen des PCO-S beschrieben wird. Die klinische Verdachtsdiagnose wird gesichert durch eine vaginale Ultraschalluntersuchung, bei der das morphologische Bild der polyzystischen Ovarien nachgewiesen wird, und Hormonbestimmungen, bei denen eine erhöhte Konzentration des totalen Testosterons bel normaler oder erniedrigter Konzentration des SHBG festgestellt wird. Diese Ergebnisse müssen im Zusammenhang mit dem klinischen Erscheinungsbild der Patientin (Akne, Hirsutismus, diffuse Alopezie) und mit den Rhythmusstörungen des Menstruationszyklus. Zwei von drei Kriterien müssen für die Diagnose des PCO-S erfüllt sein. Bei Adoleszentinnen sind lediglich Störungen im Menstruationszyklus und Hyperandrogenämie bzw. Hyperandrogenismus für die Diagnose ausreichend.

Ultraschalluntersuchung

Ein transvaginaler Ultraschall ist in Abbildung 7 dargestellt.

Abbildung 7: Transvaginaler Ultraschall (Diana Hamilton-Fairley and Alison Taylor, BMJ 2003;327;546-549).
Abbildung 7: Transvaginaler Ultraschall (Diana Hamilton-Fairley and Alison Taylor, BMJ 2003;327;546-549).

Hormonelle Abklärung

Hormonbestimmungen

  • Gonadotropine im Serum (LH, FSH)
  • Prolaktin (Hyperprolaktinämie löst einen relativen Östrogenmangel aus).
  • Oestradiol
  • Totales Testosteron (siehe oben, Grundlagen der hormonellen Abklärung!)
  • DHEAS (für die adrenale Funktion)
  • 17-alpha-OH-Progesteron (erhöht bei 21-Dydroxylasemangel bei late onset AGS)
  • Cortisol
  • Bei androgenisierten Frauen mit Kinderwunsch wird oft zusätzlich im Serum die Bestimmung von Androstendion vorgenommen, welches allerdings für die Quellensuche Ovarien bzw. Nebennierenrinde nicht hilfreich ist.
  • Zum Ausschluss einer Schilddrüsendysfunktion genügt die Bestimmung des TSH im Serum

PCO-S und metabolisches Syndrom: Beurteilung und Langzeitfolgen

Nachdem das PCO-Syndrom zunächst vor allem unter dem Gesichtspunkt der Androgenisierungs-Erscheinungen und der unfreiwilligen Kinderlosigkeit gesehen worden war, tritt heute das mit dem PCO-S verknüpfte Metabolische Syndrom in den Vordergrund (Abbildung 8).

Abbildung 8: PCO-S und Risiko für Diabetes Typ 2 (in Anlehnung an [B10]).
Abbildung 8: PCO-S und Risiko für Diabetes Typ 2 (in Anlehnung an [B10]). [B10]

Abklärung des metabolisches Syndroms

Besteht Verdacht auf ein metabolisches Syndrom, muss zusätzlich auf eine Insulinresistenz abgeklärt werden (Bestimmung von Nüchtern-Glucose und Nüchtern-Insulin, Berechnung des HOMA-Scores, siehe unten). Beim klassischen Belastungstest erfolgt die Bestimmung des Blutzuckerwertes und der Insulinspiegel zwei Stunden nach Verabreichung einer Belastung mit 75 g Glucose. Der HOMA-Score ist allerdings einfacher und für die Klinik genauso aussagekräftig. Zum metabolischen Syndrom gehören auch erhöhte LDL-Spiegel, kombiniert (vor allem bei adipösen Frauen) mit niedrigen HDL sowie erhöhten Triglyceridwerten.

Die begleitende Insulinresistenz kann mit verschiedenen Scores beurteilt werden. Folgende Richtwerte (95 % Vertrauensintervall) werden angegeben:

  • Insulin < 12,1 microU/ml
  • Glucose/Insuline-Ratio (G/I-Ratio). > 6,4
  • HOMA < 2 ist normal
  • QUICKI > 0,332**

Nach HOMA und QUICKI besitzen rund 95% der adiposen Frauen mit PCO-S eine Insulinresistenz. * Berechnung: HOMA = 22,5 x 18/Nüchtern-Insulin x Nüchtern-Glucose ** Berechnung: QUICKI = 1/log (Nüchtern-Insulin + log (Nüchtern-Glucose)

Erhöhte Langzeit-Risiken beim PCO-S

  • Frauen mit PCO-S besitzen meist multiple Risikofaktoren für Diabetes mellitus. Dazu gehören: Adipositas, positive Familienanamnese für Diabetes Typ 2 und Defekte in der Insulin-Aktivität (sowohl Insulin-Resistenz als auch Dysfunktion der beta-Zellen). Bei Frauen mit PCO-S besteht deswegen ein 3 bis 7x erhöhtes Risiko für einen Diabetes Typ 2.
  • Die vorhandenen nicht sehr zahlreichen Daten weisen auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen mit Dyslipidaemien und einer gestörten vaskulären Funktion hin. Es scheint auch ein erhöhtes Risiko für arterielle Hypertonie vorzuliegen.
  • Adipöse Frauen mit PCO-S besitzen ein erhöhtes Risiko für Endometrium-Karzinome (wegen Anovulation fehlt Progesteron als Gegenspieler zu den Östrogenen; höhere Östrogenspiegel wegen vermehrter Aromatisierung von Androgenen zu Östrogenen)
  • eine erhöhtes Risiko bei PCO-S für Mamma-Ca und Ovarial-Ca wird diskutiert, ist aber nicht gesichert

Es besteht heute ein Konsens darüber, dass

  • das Risiko für Diabetes Typ 2 bei anovulatorischen Frauen mit PCO-S, bei adipösen Frauen und bei solchen mit einer positiven Familienanamnese auf Diabetes Typ 2 erhöht ist.

Das PCO-Syndrom hat sich in wegen seiner klinischen Bedeutung von einer Erkrankung des Gynäkologen und des Dermatologen zu einem Problem entwickelt, das auch den Internisten beschäftigt

Behandlung des PCO-S

Vor allem bei übergewichtigen Patientinnen mit PCO-S besteht die erste therapeutische Massnahme in der Reduktion des Body Mass Indexes (BMI) durch Verbesserung des Gesundheitsbewusstseins (Ernährungsberatung, Sport). Bei Frauen mit Kinderwunsch kommt es oft allein dadurch zu einer Wiederaufnahme von ovulatorischen Zyklen. Die Behandlung von Akne und Hirsutismus folgt den gleichen Prinzipien wie bei der einfachen Androgenisierung (siehe oben). Liegt ein metabolisches Syndrom mit Insulinresistenz vor, so bewährt sich die Gabe von Metformin (meist 3x 850 mg Metformin/Tag, max. bis 2500 mg/d) als unterstützende Massnahme. Bei Kinderwunsch gehört die weiterführende Behandlung der chron. Anovulation in die Hand des gynäkologischen Endokrinologen (Follikelreifungsinduktion mit Clomiphen oder Letrozol und mit FSH; Ovar-Drilling; IVF/ICSI). Grobes Richtschema der Behandlung bei Kinderwunsch mit Evidenzangabe (Abbildung 9):

Abbildung 9: Grobes Richtschema der Behandlung bei Kinderwunsch mit Evidenzangabe (in Anlehnung an [B08]).
Abbildung 9: Grobes Richtschema der Behandlung bei Kinderwunsch mit Evidenzangabe (in Anlehnung an [B08]). [B08]

Androgenproduzierende Tumoren sind sehr selten, gehören zu den seltensten Ursachen einer Androgenisierung (< 1 %), und sind somit eines der am meisten überschätzten medizinischen Probleme. Oft werden sie mit sogenannten „Inzidentalomen“ (vor allem der Nebenniere) verwechselt. Dennoch dürfen sie nicht übersehen werden. Arrhenoblastome machen ca. 0,2 % aller Ovarial-Tu und sind in allen Altersgruppen vertreten. Häufigkeitsgipfel: 3. Lebensjahrzehnt.

Ovarielle androgenproduzierenden Tumoren

  • Sertoli-Leydig-Zell-Tumoren (Arrhenoblastome)
  • Leydig-Zell-Tumoren
  • lipoid oder Lipid-Zell-Tumoren
  • Granulosa-Theka-Zell-Tumoren

Adrenale Adenome und Karzinome können mit Virilisierung und Hyperandrogenämie manifestieren.

Klinik

Androgen-produzierende Tumoren zeichnen sich durch eine in der Regel rasch auftretende Virilisierung aus:

Virilisierung

  • männliche (temporale) Glatzenbildung
  • Tiefer Werden der Stimme
  • Atrophie der Brust
  • Klitorishypertrophie
  • Maskulinisierung

Typisch ist

  • schneller Beginn
  • rasche Progredienz

Differentialdiagnose androgenisierender Tumoren

Einnahme von

  • Anabolika
  • Danazol/Gestrinon
  • Gestagene: 19-Nortestosteron-Derivate
  • Dilantin

Labor-Screening

Tumorverdacht besteht bei Serumwerten des Testosterons von > 2,5x der oberen Grenze des Referenzbereichs des durchführenden Labors. Solche Werte müssen in jedem Falle weiter abgeklärt werden. Es besteht eine beträchtliche Überlappung zwischen den Werten, die bei Tumoren gefunden werden, und solchen bei schweren Fällen des PCO-S und einer Hyperthekose DHEAS-Spiegel von 700 g/dl oder mehr gelten als Marker für eine pathologische Nebennierenrindenfunktion und müssen als Tumor-verdächtig eingestuft werden. Solche Werte werden allerdings nur selten angetroffen, ohne dass sie von pathologische erhöhten Serum Testosteronwerten begleitet sind. Die weitere Abklärung und die Behandlung von androgenisierenden Tumoren erfolgt durch den Spezialisten! Testosteron-sezenierende Tumoren können zu Serumwerten führen, die im normalen männlichen Bereiche liegen. Wenn die Serum-Testosteron-Spiegel 200 ng/dl übersteigen, muss ein Androgen-produzierender Tumor vermutet werden. Allerdings schliessen tiefere Werte einen Androgen-produzierenden Tumor nicht mit Sicherheit aus. Andererseits weisen Frauen mit PCO-Syndrom (insbesondere in Zusammenhang mit einer Hyperdekose) Testosteronspiegel auf, welche 200 ng/dl überschreiten. Beurteilung der DHEA-S-Spiegel: DHEAS-Spiegel von 700 g/dl oder mehr gelten als Marker für eine pathologische Nebennierenrindenfunktion und müssten als Tumor-verdächtig eingestuft werden. Solche Werte werden allerdings nur selten angetroffen, ohne dass sie von pathologische erhöhten Serum Testosteronwerten begleitet sind. Ausnahme: Cushing-Syndrom. Daher muss der Laborwert immer in Zusammenhang mit der an Anamnese gesehen werden: Geschwindigkeit des Auftretens, Verteilungsmuster, gleichzeitiges Vorliegen von virilisierenden Symptomen. Weist eine Patientin eine typische Anamnese und ein typisches klinisches Bild auf, das mit einem androgenisierenden Tumor vereinbar ist, so muss eine gezielte Abklärung auf einen Androgen-bildenden Tumor auch bei Serum-Testosteronwerten unter dem kritischen Spiegel durchgeführt werden. Hilfreich ist die Betrachtung von rezenten und weniger rezenten Foto’s der betroffenen Person. Die Auswirkung eines Androgenproduzierenden Tumors ist fulminant!

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